Einleitung – Ein Ausflug, der mehr berührt als erwartet
Manchmal sind es gerade die Tage, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken, die sich später als überraschend bedeutsam herausstellen. Unser Besuch beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ war genau so ein Tag: ruhig geplant, klar strukturiert – und doch voller Momente, die mehr sagen als jedes Protokoll.
Schon der frühe Aufbruch aus Hamburg, als der Morgen noch grau über den Walddörfern hing, hatte etwas Verbindendes. Menschen, die sich freiwillig treffen, lange bevor der restliche Stadtteil erwacht, tun das selten zufällig. Es steckt immer eine gewisse Haltung dahinter: Interesse, Wertschätzung und der Wunsch, hinter die Kulissen zu blicken, wo andere nur Schlagzeilen sehen.
In Laage erwartete uns kein Spektakel, sondern Echtheit. Menschen, die ihren Dienst tun – oft leise, präzise, konzentriert. Ein Geschwader, das seinen Auftrag erfüllt und doch weit mehr vermittelt als Luftfahrzeuge, Technik oder Abläufe. Zwischen Startbahnen, Truppenküche und Werkhallen zeigte sich ein Stück Deutschland, das man nur versteht, wenn man es selbst erlebt.
Vielleicht war es genau diese Mischung aus Nähe, Normalität und Professionalität, die diesen Tag so eindrücklich machte. Denn am Ende geht es nicht nur um Maschinen oder Prozesse, sondern um die Menschen, die dahinterstehen – und um das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die größer ist als man selbst.
Und so bleibt die stille Frage: Welche Eindrücke eines solchen Tages tragen wir wirklich mit nach Hause, wenn der Lärm der Triebwerke längst verklungen ist?
1. Früher Aufbruch: Wenn Hamburg noch schläft
Es gibt eine besondere Atmosphäre, wenn man sich zu einer Uhrzeit trifft, zu der die meisten Menschen noch zwischen Traum und Erwachen hängen. Kurz vor 06:00 Uhr, Parkplatz Brunskrogweg in Hamburg-Ohlstedt: der Morgen feuchtblass, die Luft kühl, die Stadt noch still genug, dass jedes Geräusch ein wenig deutlicher wirkt. Genau diese Stille schafft einen Rahmen, in dem Gemeinschaft entsteht – ohne große Worte, einfach durch das gemeinsame Dasein.
Die Fahrzeuge rollen an, ein kurzes Nicken hier, ein leises „Moin“ dort. Es sind diese kleinen, unaufgeregten Momente, in denen jeder spürt, dass er Teil von etwas Gemeinsamen wird, bevor der eigentliche Tag überhaupt begonnen hat. Als wir den Brunskrogweg hinter uns lassen, liegen die Walddörfer wie verschlafene Beobachter am Wegesrand, und die Straßen Richtung Autobahn füllen sich langsam mit dem ersten Pendlerverkehr.
Nur eine halbe Stunde später, am Autobahndreieck Bargteheide, der erste kurze Halt. Weitere Teilnehmer steigen zu. Die Stimmung ist gelöst, aber neugierig – man spürt, dass alle den Tag bewusst erleben wollen. Kein Pflichtprogramm, sondern ein bewusst gewählter Ausflug zu Menschen, die in Laage nicht nur arbeiten, sondern Verantwortung tragen.
Als wir wieder aufbrechen, ziehen die norddeutschen Landschaften an uns vorbei: klare Linien, offene Felder, aber trübes Wetter mit Schneeregen. Die Fahrt hat etwas Meditatives, und zugleich wächst die Vorfreude. Man merkt, dass jeder seine eigenen Erwartungen hat – und doch teilen alle dieselbe Frage: Was wird uns heute wirklich erwarten?
2. Erste Eindrücke eines besonderen Ortes
Gegen 08:30 Uhr erreichen wir Rostock-Laage. Weitere Teilnehmer steigen zu. Die Zufahrt zum Geschwader wirkt zunächst unscheinbar, beinahe nüchtern – ein Tor, einige Gebäude. Doch je näher man kommt, desto deutlicher wird: Hier beginnt eine Welt, in der Präzision, Verantwortung und Routine ineinandergreifen wie feine Zahnräder.
Die Begrüßung ist herzlich, aber professionell. Keine großen Gesten, keine künstliche Förmlichkeit. Es ist diese norddeutsche Art, die man sofort erkennt: offen, direkt, verlässlich. Man nimmt uns ernst, ohne dabei die gelassene Bodenständigkeit zu verlieren, die den Norden auszeichnet. Genau diese Mischung schafft von Anfang an eine angenehme Atmosphäre.
Während wir das Gelände betreten, fällt auf, wie ruhig alles wirkt – trotz der Nähe zur Startbahn. Die Gebäude sind funktional, klar strukturiert, und doch spürt man überall eine gewisse Sorgfalt. Es ist ein Ort, an dem jeder Handgriff sitzt, weil er sitzen muss. Hier gibt es keinen Raum für Zufall, und gerade das schafft eine stille, respektvolle Spannung.
Die ersten Gespräche ergeben sich fast von selbst. Ein Hauptmann erklärt uns kurz die Abläufe, beantwortet Fragen und zeigt uns, wie der Vormittag geplant ist. Nichts davon wirkt einstudiert. Es ist ehrliche Professionalität, getragen von Menschen, die ihre Aufgaben kennen – und sie gern erklären, weil sie wissen, dass Verständnis Wertschätzung schafft ein Eindruck, der sich durch den Rest des Tages durchziehen wird.
Als wir langsam Richtung Flugfeld fahren, hören wir schon das donnern der Triebwerke. Der Moment, in dem Technik, Können und Präzision gleich sichtbar werden, rückt näher. Und doch ist es nicht nur das, worauf man sich unbewusst vorbereitet. Es ist auch der Einblick in eine Welt, die die meisten sonst nur aus der Distanz kennt – und die uns heute ihre Türen öffnet.
3. Der Himmel öffnet sich: Die Startphase der Eurofighter
Um 09:00 Uhr beginnt jener Teil des Tages, auf den viele insgeheim gewartet haben. Wir nehmen unseren Platz auf dem Besucherhügel am Rand des Flugfeldes ein, und schon der erste Blick auf die Startbahn verändert die Stimmung. Die Luft ist Regenverhangen, aber eine Anspannung ist spürbar, als würde das gesamte Gelände kurz innehaltend atmen, bevor sich die Routine des Flugbetriebs entfaltet.
Dann setzt sich der erste Eurofighter in Bewegung. Kein hastiges Manöver, kein überflüssiger Lärm – nur eine präzise Abfolge von Signalen, Handgriffen und Bewegungen, die zeigt, wie viele Menschen im Hintergrund unsichtbar zusammenspielen müssen, damit ein solcher Start gelingt. Die Maschine rollt, beschleunigt, hebt ab. Ein Moment, der niemals alltäglich wirkt, wohl selbst für diejenigen, die ihn täglich erleben.
Was sofort auffällt: Die Power eines Eurofighters beeindruckt nicht durch Lautstärke allein, sondern durch Präsenz. Man spürt das Vibrieren im Brustkorb, das Aufschwingen der Triebwerke, das leichte Zittern des Bodens. Aber zugleich ist da eine innere Ruhe – weil man sieht, wie kontrolliert, wie sicher und wie eingespielt alles abläuft. Ein zweiter, dann ein dritter Start folgen.
Zwischen den Starts ist etwas Raum für Eindrücke. Einige in der Gruppe sprechen leise miteinander, andere schweigen – nicht aus Zurückhaltung, sondern weil der Moment wortlos wirkt. Jeder nimmt etwas anderes wahr: die Kraft, die Präzision, die Disziplin, die Leidenschaft. Und vielleicht auch ein Stück Stolz darauf, dass es in unserem Land Menschen gibt, die diesen Dienst leisten – oft fernab öffentlicher Aufmerksamkeit.
Als der Himmel schließlich wieder ruhig wird und die letzte Maschine verschwunden ist, bleibt ein Gefühl zurück, das man schwer formulieren kann: eine Mischung aus Ehrfurcht und Dankbarkeit. Und die leise Erkenntnis, dass man gerade etwas gesehen hat, das man nicht vergisst.
4. Gedanken und Gespräche
Um 09:45 Uhr führt uns der Weg in einen Besprechungsraum des Geschwaders. Die Startphase liegt noch in den Ohren, und vielleicht macht genau das die Atmosphäre dieses Moments so besonders: Der Kontrast zwischen der wuchtigen Kraft der Eurofighter und der ruhigen Klarheit eines Gesprächs, das ohne jede Eile beginnt.
Der Hauptmann begrüßt uns nochmal formell und entschuldigt die Abwesenheit des Kommodores. Dieser ist bei einem Termin mit dem Inspekteur der Luftwaffe gebunden. Er sei kurzfristig eingesprungen präsentiert aber dennoch mit einer erstaunlichen Gelassenheit – ohne Pathos. Seine Worte wirken weder einstudiert noch distanziert. Stattdessen entsteht sofort ein Ton, der einen abholt: norddeutsch direkt, zugleich warm und nahbar. Diese Mischung macht es leicht, zuzuhören. Auch die Bürgermeisterin der Stadt Laage und der stellvertretende Landrat von Rostock begrüßen uns und nehmen unsere Gruppe von 50 Schülern, Berufstätigen und Rentner wahr.
Der Hauptmann spricht über den Auftrag des Geschwaders, über Ausbildung, Einsatzbereitschaft, internationale Zusammenarbeit und die besonderen Herausforderungen des Flugbetriebs. Doch vor allem spricht er über Menschen. Über die, die im Cockpit sitzen, und über die, die dafür sorgen, dass ein Flugzeug überhaupt starten kann. Über Verantwortung, die selten gesehen, aber täglich getragen wird.
Zwischen den fachlichen Erläuterungen streut er Beobachtungen ein, die den Blick weiten: kleine Geschichten aus dem Alltag, aus Übungen, Trainings und Einsätzen. Nichts davon wirkt heroisch – im Gegenteil. Es ist gerade die ungeschminkte Normalität, die den größten Eindruck hinterlässt.
Unsere Gruppe hört aufmerksam zu. Manche nicken, manche stellen Fragen, manche lehnen sich zurück und lassen die Worte einfach wirken. Jeder findet seinen eigenen Zugang. Und vielleicht entsteht genau hier jene Verbindung, die man nicht planen kann: ein Verständnis dafür, dass Dienst nicht nur aus Technik und Regeln besteht, sondern aus Haltung, aus Kontinuität, aus täglicher Verlässlichkeit.
5. Mittag in der Truppenküche
Um 11:30 Uhr führt uns der Weg in die Truppenküche – ein Ort, der auf den ersten Blick ganz gewöhnlich wirkt und doch oft mehr erzählt als jeder Vortrag. Hier begegnet man dem echten Alltag: keine Inszenierung, keine besondere Vorbereitung, sondern genau das, was jeden Tag für diejenigen bereitsteht, die hier ihren Dienst versehen.
Die Atmosphäre beim Eintreten ist warm und unprätentiös. Plastiktabletts, der Duft von Essen, Stimmen, die ineinander übergehen, und dieses typische Gemurmel, das entsteht, wenn Menschen gemeinsam essen und für einen Moment die Schultern sinken lassen. Es ist überraschend angenehm, fast familiär.
Dabei fällt auf, wie selbstverständlich vieles hier funktioniert. Die Truppenküche ist ein Ruhepunkt im inneren Rhythmus der Kaserne, ein Ort, an dem Menschen kurz durchatmen können, bevor der Dienst weitergeht.
Während wir zusammensitzen, verliert der Tag seine Strenge. Die Gespräche werden mehr, werden leichter, die Eindrücke setzen sich, die Erlebnisse des Vormittags bekommen Raum, sich zu ordnen. Als wir die Truppenküche verlassen, wirkt der Tag runder.
6. Begegnungen am Static Display: Technik, Menschen, Geschichten
Um 12:30 Uhr verlegen wir in den technischen Bereich und unsere Gruppe wird aufgeteilt. Zwei Teams, zwei Eurofighter im Static Display, begleitet von jeweils einem Techniker – Menschen, die nicht nur über ihr Fach reden, sondern es geradezu atmen. Dieser Teil des Tages wirkt wie ein Blick hinter die Kulissen eines gut gehüteten Orchesters: Man sieht die Instrumente aus nächster Nähe und versteht plötzlich, wie viel Feingefühl hinter jedem Ton steckt.
Am Eurofighter stehend, verliert die Maschine ein Stück ihres fernen, fast unnahbaren Images. Aus der Nähe ist sie nicht nur ein beeindruckendes Stück Technik, sondern ein präzises Zusammenspiel aus Material, Erfahrung und Wissen. Die Erklärungen sind ohne überladene technische Details, dafür mit klaren Worten, klugen Vergleichen und immer wieder kleinen Einblicken, welche Verantwortung in jedem Bauteil steckt.
Zwischendurch wird gelacht, gefragt, gestaunt. Die Stimmung ist offen und neugierig. Man merkt, wie stolz die Techniker auf ihre Arbeit sind – nicht laut, nicht demonstrativ, sondern in dieser ruhigen, norddeutsch-sachlichen Art, die oft mehr Eindruck macht als große Worte. Sie kennen jede Schraube, jede Leitung, jeden Sensor. Und vor allem kennen sie die Menschen, die mit dieser Maschine fliegen.
Besonders beeindruckend ist die Art, wie komplexe Zusammenhänge ganz selbstverständlich erklärt werden. Man spürt, dass Wissen hier nicht zur Abgrenzung dient, sondern zum Verstehen.
Während wir um die Maschine herumgehen, öffnen sich neue Perspektiven. Nicht nur auf das Flugzeug selbst, sondern auf das Zusammenspiel aus Ausbildung, Können, Geduld und Verantwortung, das erforderlich ist, damit ein solcher Jet überhaupt abheben kann. Und je länger man zuhört, desto klarer wird: Hinter jeder Maschine stehen Menschen mit Geschichten, Zielen und einem Alltag, den nur wenige kennen.
Als dieser Programmpunkt endet, bleibt ein Gefühl von Respekt zurück – nicht nur für die Technik, sondern vor allem für jene, die sie beherrschen.
7. Der Weg zurück: Was jeder für sich mitnimmt
Um 15:00 Uhr verabschieden wir uns vom Geschwader. Die Eindrücke des Tages liegen noch nah, und doch ist bereits spürbar, wie sie sich allmählich sortieren. Der Blick zurück auf die Gebäude, die Startbahn und die Menschen wirkt fast wie ein kurzer Abschied von einer Welt, die man für einen Tag betreten durfte – und die sich nicht von selbst erklärt, sondern nur durch Begegnung.
Die Rückfahrt beginnt ruhig. Manche steigen mit einem leisen Lächeln ein, andere wirken nachdenklich. Es ist dieses typische Gefühl nach einem Tag, der mehr war als ein Programmpunkt: Die Gedanken wandern, die Gespräche kommen und gehen, und immer wieder schaut jemand aus dem Fenster, während die Landschaft vorbeizieht. Mit Verspätung endet die Fahrt schließlich dort, wo sie begonnen hat. Man verabschiedet sich mit einem kurzen Händedruck, einem Dank, einem letzten Lächeln.
Und vielleicht ist es genau das, was diesen Ausflug so wertvoll macht.
Schlussgedanke – Was bleibt, wenn der Lärm verstummt
Wenn ein solcher Tag endet, bleibt selten nur ein Bild oder ein einzelner Moment zurück. Vielmehr setzt sich ein leiser Eindruck zusammen, der erst auf dem Heimweg Form annimmt. Es sind die Begegnungen, die Gespräche, das Lachen zwischendurch und die Ernsthaftigkeit in den Augen derer, die ihren Dienst tun. Es sind die Maschinen, die man aus der Nähe sah, und die Stille der Hallen, in denen ihre Einsatzbereitschaft entsteht. Und es ist die Erkenntnis, dass hinter all dem nicht abstrakte Strukturen stehen, sondern Menschen – mit Leidenschaft, Verantwortung und einer bemerkenswerten Gelassenheit.
Tage wie dieser öffnen Türen. Nicht spektakulär, nicht laut, sondern auf eine Art, die nachwirkt. Sie machen sichtbar, was sonst verborgen bleibt, und schaffen eine Verbindung zu einem Teil unseres Landes, den viele selten kennenlernen.
Und vielleicht bleibt am Ende die einfache, stille Frage:
Wie viele dieser besonderen Einblicke würden wir gewinnen, wenn wir uns öfter auf den Weg machen würden, um Menschen und Orte wirklich kennenzulernen?

