Es gibt im Leben Momente, die sich im ersten Augenblick unscheinbar anfühlen – und die doch rückblickend einen Weg eröffnen, den man ohne sie vielleicht nie eingeschlagen hätte. Für mich war ein solcher Moment ein einfacher Brief, den ich im Alter von 20 Jahren erhielt.
Kurz vor meinem Abitur hatte mir einer meiner Lehrer erzählt, dass an einem der Nachbarhäuser des Klopstockmuseums in Quedlinburg eine Plakette hängen würde, welche dieses als das Geburtshaus des Dichters des „Beresinaliedes“ auswies. Immer wieder hätten Touristen im Museum nach diesem Lied gefragt, doch weder Noten noch Text waren dort damals bekannt und konnten auch nicht aufgefunden werden. Die Suche nach diesem Lied und seinem Text war keine Aufgabe, die im Rampenlicht stand, keine große Bühne. Vielmehr handelte es sich um eine eher stille Arbeit im Hintergrund: Den Ursprung recherchieren, Informationen zusammentragen, und anschließend auf die Suche nach dem Text und den Noten gehen. Zugegeben, als ich begann dachte ich, dass es so schwierig nicht werden könne. Doch es zog sich immer weiter hin. Aber nach einem dreiviertel Jahr wurde ich schließlich bei einem österreichischen Chor fündig, der dieses Lied tatsächlich noch in seinem Repertoire hatte. Ich sendete also dem Museum Text und Noten zu, um so ein klein wenig dazu beizusteuern, das dem Museum half, die Anfragen der Touristen zu beantworten. Für mich war es in erster Linie eine spannende Herausforderung, eine Art Schnitzeljagd, um die Lücke nach dem bestandenen Abitur etwas zu füllen. Solche Aufgaben hatten mich bereits in der Schule im Geschichtsunterricht fasziniert.
Doch die eigentliche Wirkung entfaltete sich erst im Nachhinein. Einige Monate später erreichte mich ein Brief des Leiters der Städtischen Museen von Quedlinburg. Darin bedankte er sich persönlich für mein Engagement. Kein offizieller Verwaltungsakt, kein unpersönliches Standardschreiben – sondern ein kurzer und knapper, dafür aber ehrlicher Ausdruck von Wertschätzung.
In diesem Moment verstand ich: Mein Einsatz war nicht selbstverständlich. Er wurde gesehen, er wurde anerkannt – und er hatte einen kleinen Unterschied gemacht. Genau diese Erkenntnis wurde für mich zu einem Schlüsselerlebnis.
Die Kraft der Anerkennung
Warum erzähle ich diese kleine Geschichte? Weil sie beispielhaft zeigt, wie wichtig Anerkennung ist – gerade in einer Zeit, in der wir alle oft das Gefühl haben, dass Engagement, Einsatz oder Mühe im Alltag untergehen. Der Brief hat mir damals vor Augen geführt, dass ein Dank nicht viel kostet, aber eine enorme Wirkung entfalten kann.
Anerkennung motiviert, über sich hinauszuwachsen. Sie macht sichtbar, dass der eigene Beitrag zählt. Und sie stärkt die Überzeugung, dass es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen. Für mich war dieser Brief die erste Erfahrung, wie stark die Verbindung von Einsatz und Wertschätzung sein kann.
Rückblickend war das der Keim für vieles, was danach folgte: mein Engagement in unterschiedlichen ehrenamtlichen Strukturen, mein Wunsch, mich einzubringen, und auch meine Überzeugung, dass jeder Einzelne einen Unterschied machen kann – wenn er den Mut hat, sich einzusetzen, und wenn andere den Respekt haben, dies auch zu würdigen.
Vom ersten Schritt zum dauerhaften Engagement
Aus einer einmaligen Recherchearbeit entwickelte sich bei mir eine Haltung: Es reicht nicht, nur an sich selbst zu denken – es braucht Menschen, die ein Stück mehr tun. Menschen, die Verantwortung übernehmen. Menschen, die in kleinen und großen Dingen ihren Beitrag leisten.
In den Jahren danach habe ich mich an vielen Stellen eingebracht: in Vereinen, in Projekten, in Organisationen. Jedes Engagement war unterschiedlich, aber eines blieb gleich: das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Und immer wieder kam mir jener Brief in den Sinn. Denn er erinnerte mich daran, dass Engagement nicht im Verborgenen bleiben darf, sondern gesehen werden soll.
Daraus hat sich auch mein eigener Anspruch entwickelt: Nicht nur selbst etwas zu tun, sondern auch anderen Anerkennung zu schenken. Denn wer einmal gespürt hat, wie motivierend es ist, Dankbarkeit zu erfahren, weiß, wie wichtig es ist, dieses Gefühl weiterzugeben. Für mich als Führungskraft heute eine Selbstverständlichkeit: Einfach mal Danke sagen.
Ein Funke, der überspringt
Heute, viele Jahre später, bin ich überzeugt: Jede Geschichte hat ihren Anfang. Für mich begann mein Weg ins Ehrenamt mit diesem Dankesbrief. Und vielleicht ist es genau diese Erfahrung, die mich antreibt, andere zu ermutigen. Denn Engagement entsteht oft aus einem kleinen Funken – einer Aufgabe, einer Begegnung, einem Wort der Anerkennung.
Wenn wir bereit sind, diese Funken weiterzugeben, entsteht etwas Größeres: Menschen finden Freude daran, Verantwortung zu übernehmen. Sie erfahren, dass ihr Tun Wirkung zeigt. Und sie begreifen, dass eine Gemeinschaft stärker wird, wenn viele Einzelne mitgestalten.
Genau deshalb erzähle ich diese Geschichte. Nicht, weil der Brief selbst außergewöhnlich war – sondern weil er mir gezeigt hat, dass Wertschätzung Leben verändern kann. Und vielleicht inspiriert diese Erfahrung auch andere, den ersten Schritt zu gehen, sich einzubringen und sich überraschen zu lassen, welche Wege sich dadurch öffnen.